Bild: Matthias Käser/BT

Ich lebe mit meiner Frau Esther, meinem jüngsten Sohn Rafael, der Katze Mathilda und vier Hühnern in Magglingen. Ich führe eine Privatpraxis für Psychotherapie in Biel/Bienne.

Ich habe an der Universität Bern Psychologie und am Moreno-Institut Überlingen Psychodrama studiert und arbeite jetzt in eigener Praxis als eidg. anerkannter Psychotherapeut für Kinder, Jugendliche und Erwachsene und als Verkehrspsychologe. Ich leite das Institut für Psychodrama und Aktionsmethoden (www.ipda.ch) und gebe in der Schweiz und im Ausland Seminare zur Methode Rollenspiel. Zudem bin ich als Supervisor und Fachautor tätig.


Meine Berufserfahrung

Leitung des Institutes für Psychodrama und Aktionsmethoden www.ipda.ch (seit 2013) - Praxis für Psychotherapie und Kurse für auffällige Fahrzeuglenker der Beratungsstelle für Unfallverhütung bfu (seit 2000) - Psychologe und Psychotherapeut im Sonderpädagogischen Zentrum Bachtelen/Grenchen (2001 bis 2017) - Ausbilder bei der Stiftung Arbeitsgestaltung in Uster/ZH: Bildungsarbeit mit arbeitslosen Menschen und MigrantInnen (1996 bis 2000) - Pädagogischer Leiter beim Verein Plus/Jugendschiff zur See: erlebnispädagogisches Projekt für Jugendliche (1995/96) - Psychologe auf der Suchttherapiestation der Clinique Psychiatrique Bellelay (1990 bis 1995) - Tätigkeit als Sozialtherapeut und Arbeitsagoge in verschiedenen sozialpädagogischen Einrichtungen der Stadt Zürich für Jugendliche und junge Erwachsene (1983 bis 1990)


Diplome

Lic.phil. Psychologie, eidg. anerkannter Psychotherapeut, Fachpsychologe für Verkehrspsychologie FSP, Opferhilfe Beratung FSP, Psychodramatiker PDH


Berufsverbände

Schweizerischer Psychodramaverband PDH (Vorstand) www.pdh.ch;
Föderation Schweizer Psychologinnen und Psychologen FSP www.psychologie.ch;
Verband bernischer Psychologinnen und Psychologen VBP www.vbp.psychologie.ch;
Verband für Verkehrspsychologie VfV www.vfv-spc.ch


Sprachen

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Interview erschienen im «Bieler Tagblatt» vom 8.11.2017. Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung des Verlages W. Gassmann AG

«Es ist nicht gefährlich, über sich selber nachzudenken»

Rollenspiel ist mehr als einfach «theäterlen». Was diese Technik in Therapie, Beratung und Erwachsenenbildung vermag, weiss Roger Schaller. Der Psychologe mit eigener Praxis in Biel hat eben sein viertes Buch dazu geschrieben.

Raphael Amstutz

«Wie war das letzthin am Familientisch? Stellen Sie sich mal hierhin und dieser leere Stuhl, der ist für ihren Vater, und dieser hier für ihre Mutter.» Ein Rollenspiel scheint zunächst eine simple Sache. Einfach mal ziemlich wahllos eines lancieren, ohne Veränderung des Ortes, ohne klar definierten Spielraum. Am besten noch mit einer unendlich langen Erklärung und später ohne Überprüfung, ob der Klient noch weiterspielen will.

Das sind nur einige der Fehler, die gemacht werden können. Psychodrama (siehe auch Infobox links), zu dem das Rollenspiel gehört, hat einen schweren Stand innerhalb der Psychologie, gerade in der Schweiz. Roger Schaller, Psychologe und Buchautor, weiss um diese Problematik. «Das Rollenspiel wird oft von unkundigen Therapeuten unbeholfen oder unüberlegt eingesetzt», sagt er, «und führt damit zu enttäuschenden Ergebnissen und unzufriedenen Klienten.»

«Es wird ganz schnell persönlich» Dass es auch anders geht, dafür setzt sich Schaller seit über 25 Jahren ein. Der Psychologe aus Magglingen führt seit Kurzem eine Praxis in Biel und veröffentlicht in diesen Tagen sein viertes Buch zum Thema Rollenspiel. «Psychodrama ist deshalb so wirkungsvoll, weil wir mit dieser Methode zu Experten von uns selber werden. Die Aufmerksamkeit wird fokussiert und es wird ganz schnell sehr persönlich», erklärt Schaller.

Und es werde beides aktiviert: Geist und Körper. Zudem erhielten Therapeut und Klient in kurzer Zeit viele Informationen: Entscheidend sei nämlich nicht nur, was jemand berichte, sondern auch, wie oder ob er überhaupt etwas sage. Denn wenn jemand zum Beispiel erkläre, er könne diese Rolle nicht spielen, sei das eine ebenso wertvolle Aussage. «Das Rollenspiel ist eine grosse Chance», ist Schaller überzeugt. «Wir können damit sowohl das Leben auf eine Bühne bringen als auch Abstand zum eigenen Erleben und Handeln bekommen.»Der heute 62-Jährige hat das Psychodrama während seines Studiums entdeckt. «Immer nur zu sitzen und zuzuhören, das erschien mir wenig zielführend», erinnert er sich. Als er zufällig einen Flyer zu einem Vortrag von Jacob Levy Moreno, dem Begründer des Psychodramas, gesehen hatte, wusste er: Das ist es. «Und tatsächlich war es dann auch Liebe auf den ersten Blick.»

Das hat auch mit seiner eigenen Biografie zu tun. Er sei eher «bildungsfern» aufgewachsen; der Vater sei früh gestorben, seine Mutter habe er immer wieder hilflos erlebt, weil sie als Italienerin in der Schweiz nie wirklich eloquent kommunizieren konnte. «Ich habe mich geschämt», sagt Schaller, «und mir wurde ganz rasch klar: Ich will nicht hilflos sein.»

Das Psychodrama sei genau das Richtige gewesen für ihn: «Ich habe in der Ausbildung und beim Üben gelernt: Es ist nicht gefährlich, über sich selber nachzudenken. Es hilft vielmehr, sich selber nicht ausgeliefert zu sein und schwierige Situationen in Zukunft besser zu bewältigen.» Das Rollenspiel helfe also beim Erkunden von problematischen Beziehungen genauso wie beim Erkennen von Bedürfnissen und Wünschen und beim Ausprobieren von alternativen Verhaltensweisen.

Kein grosses Interesse

In seiner langen Laufbahn hat Schaller immer auch mit vermeintlich «nicht-therapierbaren» oder «bildungsfernen» Klienten gearbeitet: Therapien mit Süchtigen, mit notorischen Verkehrssündern, mit gewaltbereiten Jugendlichen oder persönlichkeitsorientierte Kurse für Langzeitarbeitslose. Es sind solche Menschen, die ihn interessieren.

Diese unbedingte Begeisterung fürs Psychodrama, fürs Rollenspiel ist in jedem Moment des Gesprächs spürund sichtbar. Roger Schaller hat sich denn auch lange dafür eingesetzt, dass dieser Zugang unter dem Begriff «humanistische Psychologie» ein eigenes Curriculum erhält, also fixer Teil des Lehrplans an Universitäten wird. «Damit bin ich gescheitert», gibt er unumwunden zu. Das Interesse in der Schweiz sei zu wenig gross, die Gründe seien ihm nicht ganz klar. Die gesetzlichen Auflagen würden immer zahlreicher und strenger, man halte sich wohl lieber an das Bekannte. Das sei die eine Seite. Zudem berge das Psychodrama natürlich auch politischen Zündstoff. Gehe es im Kern doch darum: Der Mensch ist krank, weil die Gesellschaft krank ist. «Und das hören die Mächtigen nicht gerne», so Schaller.

Richtig eingesetzt, grosse Wirkung

In anderen Ländern sei dies ganz anders. «In Osteuropa zum Beispiel gehört das Psychodrama zum psychologischen Mainstream», sagt Schaller. Während des Kommunismus’ waren Gruppenverfahren und eher «chaotische» und kreative Zugänge verpönt. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs seien die Menschen dort «hungrig» gewesen und hätten neue Zugänge kennenlernen wollen. Es sei zu einem starken Aufschwung gekommen und zu einer raschen Etablierung.

Dass das Rollenspiel, richtig eingesetzt, eine unglaubliche Wirkung haben kann, hat Schaller immer wieder erlebt. Er erzählt von einem Klienten, der sich nach einigen Stunden Therapie vor allem an ein ganz kurzes Rollenspiel erinnert und immer wieder von dieser «intensiven Erfahrung» berichtet hat. Man lerne bei dieser Methode in wenigen Sequenzen enorm viel von sich: das eigene Verhalten und seinen Platz im sozialen Gefüge.

Kann auch eine Gefahr sein

Schaller, der unter anderem auch als Verkehrspsychologe arbeitet, erinnert sich an einen Raser. Wie soll er einer Person, die womöglich gegen den eigenen Willen bei ihm in der Praxis sitzt, sein problematisches Verhalten aufzeigen? Auch hier kann das Rollenspiel helfen. «Statt auf einer theoretischen Ebene zu diskutieren, habe ich ihn gefragt: Haben Sie Kinder? Er verneinte. Also fragte ich: Kennen Sie welche? Er erwähnte diejenigen der Schwester. Ich fragte: Wie heissen sie? Sind es aufgeweckte? Schon nach ganz kurzer Zeit wurde es persönlich. Und als ich sagte: Diese Sonja läuft übermütig und selbstvergessen auf die Strasse. Was denken Sie? Spielt es eine Rolle, ob Sie mit 50 oder 70 km/h fahren? Dazu zwei Spielzeugautos, um den Bremsweg auch optisch zu veranschaulichen. Das hat Eindruck gemacht.»

Wenn etwas persönlich und emotional wird, kann das ja bei allem Guten und Erwünschten auch eine Gefahr sein. Was tun, wenn der Klient «kleben» bleibt? Schliesslich sind da einerseits handfeste Konflikte, die thematisiert werden; es gibt also eine Verankerung in der Realität. Gleichzeitig sollen im Rollenspiel ja gerade Abstand gewonnen und andere Sichtweisen eingenommen werden.

Schaller überlegt nicht lange: «Wenn jemand ein geübter Therapeut ist, geht das gut.» Dieser Hinweis kommt immer wieder. Psychodrama sehe einfach aus – und das sei verführerisch und auch tückisch; denn es brauche Übung, damit es eine Hilfe sein könne.

Werbung in eigener Sache?

«Wenn es aber richtig eingesetzt wird, ist es für jede Personengruppe und für jeden Problembereich eine wirksame Technik», ist Schaller überzeugt. Eigentlich sei die Lektüre über Rollenspiel und Psychodrama, zum Beispiel auch das Lesen dieses Zeitungsartikels, nicht mehr als ein Türöffner. «Dieses kreative Geflecht lässt sich nur ungenügend beschreiben. Wer das Psychodrama kennenlernen will, muss sich ihm zunächst einmal selbst aussetzen», sagt Schaller. Werbung in eigener Sache? Dass er sich mit einer solchen Vehemenz einsetze, sei nicht karriereförderlich, so Schaller. Er schmunzelt und sagt: «Ich bin der Exot. Aber ich kann ganz gut damit leben.»

Einige zentrale Begriffe

Bühnen

Unterschied zwischen Besprechungsort (Begegnungsbühne), Spielort (Spiel-bühne) und realem Alltag (Alltagsbühne).

Inszenierung

  • Imaginativ (Klient stellt sich Konfliktsi-tuation vor, «innerer Film»).
  • Figurativ (Konfliktsituation wird mit Klötzen, Figuren oder Stühlen darge-stellt).
  • Körperlich (Klient spielt sich selber oder eine andere Rolle innerhalb der Konflikt-situation).

Grundtechniken

  • Rollenwechsel/Rollentausch (Über-nahme der Sichtweise einer anderen Person).
  • Doppeln (Therapeut steht seitlich hinter dem Klienten und spricht für ihn einen inneren Monolog in der Ich-Form).
  • Spiegeln (Therapeut übernimmt die Rolle des Klienten und imitiert dessen Verhalten).
  • Regiegespräch (eine Szene wird «einge-froren», der Klient wird an den Bühnen-rand gebeten und zum Regisseur).

Damit diese Techniken gelingen, sind für Roger Schaller vier Dinge entscheidend: «Es braucht einen erfahrenen Therapeu-ten. Die Bühnen müssen klar definiert, der Zugang muss sanft und die Einheiten sollen kurz sein.»

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